«Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
ich stehe heute vor Ihnen, um den 1. August zu feiern, einen Tag von großer Bedeutung für unsere Nation und ein Symbol unserer Einheit und Identität. An diesem Tag erinnern wir uns an die Geburtsstunde unserer Unabhängigkeit und die Werte, die uns als Volk vereinen.
Vor vielen Jahren haben unsere Vorfahren den Mut und die Entschlossenheit aufgebracht, um für ihre Freiheit und Autonomie zu kämpfen. Sie haben die Grundlagen für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat gelegt, auf denen wir heute stolz stehen.»
So, liebe Solothurnerinnen und Solothurner hätte meine 1. Augustrede beginnen können. Aber es wäre nicht meine 1. Augustrede gewesen: Chat GPT, schlaues Instrument künstlicher Intelligenz. Ich hab’s getestet: «Schreibe mir eine 1. Augustrede».
Sie erwarten von mir etwas mehr. Bericht aus dem Nähkästchen eines Ständerates.
Gedankenspiel. Vor 4 Jahren: Gleiche Rede? Chat-GPT ja. Aber vor 4 Jahren hätte ich über keines der prägenden Themen der Zwischenzeit sprechen können: Corona, Ukrainekrieg, Energiekrise und der CS-Kollaps:
Wer hätte gedacht, dass plötzlich eine unbekannte Pandemie ausbricht und innerhalb weniger Wochen die ganze Welt im Griff hat?
Wer hätte gedacht, dass in Europa, näher als die Türkei oder Norwegen, ein Angriffskrieg vom Zaun gerissen wird, mit dem Ziel, dass ein Land das andere von der Weltkarte streichen will?
Wer hätte gedacht, dass wir uns im November Sorgen machen, ob wir im Winter genug Energie haben, um zu heizen?
Wer hätte gedacht, dass die 2.grösste CH-Bank innert Tagen kollabiert und mit massiver Staatshilfe und Notrecht von der anderen Grossbank übernommen wird?
«Zeitenwende» oder nicht: Wie reagierte unser Land auf diese unerwarteten Krisen?
- Corona: Schnell und effizient als andere Länder. Schneller aufgehoben.
- Ukraine: Flüchtlinge, Sanktionen, Friedens- und Wiederaufbaubemühungen
- Energie: Politik und Branche schnell: Solarexpress, KKW Weiterlaufen, Gaskombikraftwerk
- CS-Kollaps: Schnell und wirksam.
Interessantere und heiklere Frage: Welche Fehler gemacht? Wie künftig vermeiden?
Bin vorgestern aus den Familienferien in Italien zurückgekommen. Dort erwartet niemand etwas vom Staat: Der Staat als Gegner. Gleichzeitig wird vor Selbstlösung eines Problems der Staat verantwortlich gemacht. In CH haben Menschen ein Grundvertrauen in Gemeinde, Kanton und Bund. Gestalten sie auch selber: Direkte Demokratie. Das Volk, der Chef.
- Corona: Pandemiepläne. Und: Wie schnell soll der Bund entscheiden und Notrecht gelten?
- Ukraine: Stellenwert der Verteidigung der CH und der Neutralität?
- Energie: Beschleunigung der Verfahren! Heute eine Art Arteriosklerose. 15 Jahre für eine Stromleitung.
- CS-Kollaps: Drückt die Aufsicht bei den Grossen zu viele Augen zu, während Kleine schikaniert werden? Schutz des kleinen Anlegers und des Steuerzahlers? Gleichzeitig Bewahren des Finanzplatzes.
Das ist unsere Stärke: Eine offene Fehlerkultur. Was haben wir gut gemacht? Was nicht? Probleme nicht unter den Teppich kehren, sondern angehen. Das kann man nur mit einem gesunden Selbstbewusstsein. Mit der Überzeugung: Das packen wir. So erhalten und erneuern wir das Erfolgsmodell Schweiz, wie es uns unsere Eltern und Grosseltern hinterlassen haben. Auch wieder für unsere Koinder und Grosskinder.
«Während wir dieses Fest begehen, dürfen wir nicht vergessen, dass unsere Arbeit als Bürgerinnen und Bürger nie endet. Es liegt an uns, unsere Gesellschaft stetig zu verbessern und uns für eine bessere Zukunft einzusetzen.
Der 1. August ist der Tag, an dem wir uns als Nation zusammenschließen, um unsere Kultur, Sprache und Traditionen zu würdigen. Der 1. August ist nicht nur eine Gelegenheit, unsere Geschichte zu ehren, sondern auch, um die Errungenschaften unserer Gemeinschaft zu feiern.»
In diesem Sinne:
Wünsche Ihnen allen ein eindrückliches Feuerwerk und einen selbstbewussten und fröhlichen 1. August!
Einige Zitate:
«Auch «künstliche Intelligenz» wie Chat-GPT kann eine 1. Augustrede schreiben. Ich hab’s getestet. Aber Sie erwarten wohl etwas mehr von mir.»
«Zurück aus Italien: Dort ist das Misstrauen gegenüber dem Staat gross, die Erwartungen sind gering. Anders in der Schweiz: Hier ist das Vertrauen in Gemeinde, Kanton und Bund gross, aber auch die Erwartungen. Zu Recht!»
«Die Schweiz ist auch in der Krise ein Erfolgsmodell. Aber es funktioniert nur, wenn wir im entscheidenden Moment zusammenhalten. Und das können wir!»
«Probleme nicht unter den Teppich kehren, sondern suchen und lösen. Das ist unsere Stärke. Und so erhalten wir das Erfolgsmodell Schweiz auch für unsere Kinder.»
1. Augustansprache 2023 in Solothurn
Stichwortskizze. Es gilt das gesprochene Wort.